EINE GÖPPINGERIN IN AMERIKA / Lilo Levine

Schwäbische Grüße übers Internet

Die Tochter von Julius und Pauline Guggenheim verließ Deutschland im August 1939

...und die Bildla schick i nächschde Woch' ..", verspricht die Frau am Telefon. Ein ganz normales Ortsgespräch, könnte man meinen wäre da nicht der Zähler, der unerbittlich in die Höhe klettert. Am anderen Ende der Leitung ist die gebürtige Göppinger Jüdin Lilo Levine, die Deutschland vor 60 Jahren den Rücken kehrte.

MARCUS ZECHA

Bekannte aus Göppinger hatten Lilo Levine den Artikel vom November 1998 über das Schicksal ihrer Eltern ins ferne Nordamerika geschickt. So wurde der Kontakt zur NWZ hergestellt. Seit 54 Jahren lebt Lilo Levine in den USA, seit 48 Jahren ist sie glücklich mit einem Amerikaner verheiratet, mit dem sie drei Kinder hat. Vier Enkel sorgen inzwischen dafür, daß den beiden auch im Pensionsalter nicht langweilig wird. Für Lilo sind die Vereinigten Staaten längst zum Heimatland geworden. Dennoch denkt sie immer wieder gern an die Göppinger Zeit zurück. Nostalgisch-rückwärtsge-richtet ist die 78j ährige deshalb noch lange nicht. Fast täglich surft sie im Internet. Auf einem ihrer Ausflüge durch den Cyberspace stieß sie auch auf die Rubrik "Äffle und Pferdle", wo sie sich inzwischen regelmäßig einklinkt. Da wird "bloß Schwäbisch gsprocha", freut sich die gebürtige Göppingerin, die am meisten von allem ihren heimeligen Dialekt vermißt.

Lilo Levine und ihr Mann in ihrem Haus nahe Lake Placid. Im kommenden Jahr will die 78jährige ihre ehemaligen Schulkameradinnen in Göppingen besuchen.

Wichtig sind Lilo auch ihre ehemaligen Schulkameradinnen in der Mörikeschule, unter ihnen einige Jüdinnen. Helga Freudenberger sei die erste gewesen, die nach USA auswanderte. Danach gingen Lore Ottenheimer und Lilos Kousine Doris Fleischer ins Exil; letztere wanderte nach England aus, wo sie heute noch lebt. Auch Friedel Sommer, die zuvor nach Göppingen gezogen war, weil sie in Gunzenhausen als Jüdin nicht mehr in die Schule konnte, sei in die USA eingewandert, erzählt Lilo Levine. In ihrem Haus am Saranac Lake bei dem bekannten Wintersportort Lake Placid fühlt sich die rüstige alte Dame pudelwohl. Auf den versprochenen Familienbildern sieht man sie beim Skifahren und in ihrem Tanzstudio, wo sie noch immer Unterricht gibt. Und wenn sie dennoch mal wieder ein Anflug von Heimweh packt, schaltet sie einfach ihren Computer ein und surft durchs Internet oder schreibt E-Mails an Freunde und Bekannte von früher. Dann kann sie das tun, was sie besonders gerne tut: sich endlich wieder nach Herzenslust auf Schwäbisch unterhalten.